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„Es ist schön, wenn alles so klappt!“
In vielen Betrieben wandeln sich die Belegschaften. Neue Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland stoßen dazu.
Nicht immer ist es einfach. Wir haben mit zwei Personen gesprochen, bei denen es gut läuft: Nancy Bewosch, überzeugte Hotelfachfrau und Betriebsrätin im Seaside Park Hotel Leipzig und Tuan Nguyen, dort angehender Restaurantfachmann im 2. Ausbildungsjahr.
„Es ist schön, wenn alles so klappt“, sagt Tuan Nguyen, Auszubildender im Seaside Park Hotel am Leipziger Hauptbahnhof. Er hat Fuß gefasst. Es gibt verlässliche Arbeitszeiten, eine Ausbildung, bei der er wirklich etwas lernt, und Wertschätzung von den Kolleginnen und Kollegen. Diese wiederum sind super dankbar, dass Menschen wie er den Weg in die Branche gefunden haben. Es geht um eine Servicekultur, die aufrechterhalten werden soll. Dazu braucht es engagierte Mitarbeiter, einen engagierten Betriebsrat und eine tarifliche Bezahlung.
Davor hat Tuan leider erlebt, wie es nicht sein sollte. Nach einem Fehlstart in der Pflegebranche ist er zum Seaside in die Gastronomie gewechselt. Und er weiß es von anderen Auszubildenden, die aus Vietnam nach Deutschland kommen: Fadenscheinige Agenturen, die tausende Euro für die Vermittlung und Zertifikate verlangen. Zeugnisse, die es oft dann doch nicht gibt und Vermittlung, die die Betroffenen allein lässt, sie aber in die Verschuldung führen. Es ist alles dabei: 16-Stunden-Schichten, fehlende Pausen und Ruhezeiten oder Wochenendarbeit nach einer Woche Berufsschule. Keine Urlaubstage, und es wird immer nur vietnamesisch gesprochen.
Diese Ausmaße waren auch für Nancy Bewosch neu. Sie freut sich immer, wenn sie mit Tuan zusammen Dienst hat. Es funktioniert einfach gut mit ihm. Er und andere vietnamesische Auszubildende sind ein Zugewinn für das Team, und auch die Verständigung in Deutsch klappt. Im Gespräch merkt man die Wertschätzung zwischen ihnen und die gegenseitige Anerkennung. Ausbildungskompass und Berufsbildungsgesetz sind für Tuan keine Fremdwörter. Er kennt seine Rechte und hat im Hotel ein Umfeld, das ihn unterstützt.
Solche Beispiele sind leider immer noch die Ausnahme. In Berlin wurde letztens bekannt, dass jeder dritte vietnamesische Auszubildende an der Berufsschule nicht mehr aufzufinden ist. Weil es in der Ausbildung nicht klappt oder die Vermittlung und Sprachkurse in Vietnam mit einer enormen Schuldenlast von 10.000 Euro oder mehr verbunden sind, rutschen viele in prekäre, oftmals halblegale Jobs ab. Schwarzarbeit ist vorprogrammiert, ein regulärer Aufenthaltsstatus in Gefahr.
Tuan sieht einen zentralen Ursprung der Probleme darin: In Vietnam sind junge Menschen dazu erzogen, „Bedingungen einfach zu akzeptieren, auch wenn sie schlecht behandelt werden. Sie haben Angst davor, etwas zu verändern. Viele denken: Ich muss das jetzt erleiden. Dann kann ich die Ausbildung abschließen und woanders arbeiten.“ In der Berufsschule werde zwar im 1. Ausbildungsjahr über die Rechte der Auszubildenden informiert, aber viele verstehen das nicht.
Nancy kennt die schwarzen Schafe in der Branche und erinnert sich an frühere Zeiten, in denen sie Doppelschichten ohne Pausen geschoben hat und unbezahlte Überstunden leistete. „So blöd war man mal!“ Für sie ist klar: Es müsste mehr Kontrollen geben!
Was kann die Gewerkschaft machen?
Tuan gibt uns mit: Mehr aufklären, schon frühzeitig. Vor allem sollten die beratenden Personen vietnamesische Menschen sein, die die Gesetze hier kennen und zugleich die vietnamesische Kultur und Mentalität verstehen. Diese Person kann dann gut beraten und den Bedürftigen helfen. „Ich will nach der Ausbildung sofort einen Ausbilderschein machen, damit ich helfen kann.“ sagt Tuan. „Find ich super!“, sagt Nancy.
Für Tuan ist wichtig: Bereits in Vietnam müsse aufgeklärt werden, die Vermittlungsagenturen dort dürften nicht die Menschen missbrauchen. Für uns als NGG ein ganz wichtiger Punkt, dem sich die deutsche Politik annehmen muss und den wir dorthin übermitteln. Denn die deutsche Bundesregierung hat mit Vietnam einen Vertrag zur Vermittlung von Fachkräften abgeschlossen. Sie steht in der Verantwortung.
Für uns als NGG ist klar:
- Wir brauchen mehr solche Beispiele wie beim Seaside Hotel von Nancy und Tuan. Jede und jeder kann seinen Beitrag leisten!
- Unternehmen haben die Sorgepflicht, dass Beschäftigte, die ins Unternehmen geholt werden, gut Deutsch können oder schnell lernen. Das muss auch im Rahmen der Arbeitszeit ermöglicht werden können. Denn eine Arbeitswoche von 40h oder mehr, lässt dafür kaum Raum.
- Die Politik kann nicht nur Anwerbeabkommen vereinbaren und zwielichtigen Vermittlungsagenturen freie Hand lassen. Sonst trägt sie selbst zu kriminellen Strukturen bei.
- Am besten sind Betriebe mit Betriebsrat und Tarifvertrag. Denn hier gibt es engagierte Menschen, die sich für gleiche Rechte für alle einsetzen und für verlässlich geregelte Löhne und Arbeitsbedingungen.
„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ (Max Frisch, Schriftsteller 1965 über die Einwanderung in die damalige Bundesrepublik.)
Gemeinsam noch stärker
Rund 180.000 Mitglieder sind wir schon in der NGG. Aber wir wollen mehr werden: je mehr wir in der Gewerkschaft sind, desto stärker sind wir.
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