Rückblick auf den AktionstagGegen Ausbeutung im Berliner Gastgewerbe

21. Dezember 2020

Aktionstag 7. Oktober 2020

Die Arbeit in Restaurants und Gaststätten bot schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie wenig Sicherheit für die Beschäftigten. Darum haben sich viele Kolleg*innen in der NGG zusammengeschlossen, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Neben der Gewerkschaft gibt es auch Beratungsstellen, die Beschäftige in vielen Sprachen über ihre Rechte auf der Arbeit aufklären und sie ermutigen, ihre Rechte einzufordern. Olga Klus arbeitet in so einer Beratungsstelle, die „Faire Integration“ heißt. Die Juristin berät auf Deutsch, Englisch, Russisch und Ukrainisch. Am 7. Oktober, dem Tag der menschenwürdigen Arbeit, fand eine Aktion des BEMA statt, das Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit. NGG und Faire Integration haben diese Aktion unterstützt.

Olga, du hast neulich nicht in deiner Beratungsstelle gearbeitet, sondern warst stattdessen gemeinsam mit den Berater*innen des BEMA in Restaurants und Gaststätten unterwegs. Was war da los?

Olga: Wir wollten herauszufinden, wie die Arbeitsbedingungen in der Gastronomiebranche bei den Arbeitnehmer*innen zurzeit sind und die Menschen darüber informieren, was wir als Berater*innen von BEMA und Faire Integration machen: Wir bieten kostenlose Beratung zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragen in unterschiedlichen Sprachen an. Darüber hinaus haben wir bei der Aktion die Menschen zu Workshops über Arbeitsrechte in englischer und italienischer Sprache eingeladen.

Wie ging es los?

Wir haben uns morgens auf dem Oranienplatz getroffen. Auch Christian Hoßbach als Vorsitzender des DGB Bezirks Berlin-Brandenburg war dabei. Wie teilten uns auf und gingen los. In meiner Gruppe war unter anderem Romana Wittmer, die Beauftragte für Gute Arbeit im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Wir waren für die Warschauer Straße und die Querstraßen zuständig. Manche von uns haben so etwas zum ersten Mal gemacht. Aber der Gedanke, dass wir mit dieser Aktion etwas Gutes für die Menschen tun, hat uns sehr motiviert.

Wie habt ihr euch vorbereitet?

Olga: Wir hatten ein gemeinsames Ansprachetraining. Da haben wir ein Rollenspiel gemacht, bei dem einer die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer gespielt hat und der andere die Person, die an der Aktion teilnahm. Je nach Reaktion des Gegenüberstehenden mussten wir lernen uns schnell anzupassen und es zu schaffen, die Befragung durchzuführen und Informationen herauszugeben. Nach dem Rollenspiel hatten wir noch den Austausch. Was war gut? Was kann man aus dem Training für den Aktionstag übernehmen?

Und wie lief es an dem Aktionstag?

Wir sind in die Betriebe reingegangen und sind direkt auf die Menschen zugegangen. Wir haben ihnen erzählt, dass heute Tag der menschenwürdigen Arbeit ist und direkt gefragt, ob sie das wüssten. Auf die Verneinung haben wir uns dann vorgestellt und unsere Mission mit der Aufklärung, so zu sagen, erfüllt. Je nach Muttersprache der Angesprochenen verteilten wir dann Flyer und Arbeitszeitkalender in den verschiedenen Sprachen.

Wie waren die Reaktionen?

Zu 99 % positiv. Generell waren die Menschen kontaktfreudig. Trotzdem hat man eine gewisse Unsicherheit bei manchen Befragten gespürt - sie haben sich umgeguckt, ob der Chef da ist, oder ob andere Kollegen genau zuhören. Man hatte das Gefühl, dass sie sich Sorgen gemacht haben, was die Kollegen*innen zu ihren Antworten denken, wenn mehr als zwei oder drei Personen danebenstanden. Vor allem die Italiener waren allerdings sehr offen!

Bei einer bekannten Pizzakette hatten wir sogar das Glück, dass eine Raucherpause bei den Mitarbeitern war. Da standen ganz viele zusammen im Hinterhof, so dass wir die Möglichkeit hatten ungestört von Allem zu erzählen und die Flyer zu verteilen.

Gab es auch schwierige Momente?

Rausgeworfen wurden wir nie. Ein Mitarbeiter hatte nichts verstanden und sagte: ‚Ich hole meinen Chef, ich hole meinen Chef.‘ Das war auch selbstverständlich. Wenn man nichts versteht, holt man den Chef. Vielleicht dachte er, dass wir von einer Kontrollbehörde sind, wer weiß. Aber auch aus solchen Situationen haben wir schnell gelernt und die Leute direkt gefragt: ‚Hast du kurz Lust und Zeit mit uns zu sprechen?‘ Und: ‚Bist du der Chef dieses Unternehmens?‘ Je nach Antwort haben wir gewusst, wie wir weiter vorgehen sollten.

Ein Problem war, dass es sehr viele Familienunternehmen gab. Man hat gemerkt, dass bei solchen Betrieben keiner zugeben würde, dass er unterbezahlt wird oder seit Langem kein Urlaub gehabt hat.

Würdest du bei so einem Aktionstag nochmal mitmachen?

Es ist psychologisch nicht leicht auf die Menschen direkt zuzugehen, aber am Ende hat man das Gefühl, dass man etwas sehr Wichtiges gemacht hat. Es ist gut, dass wir auch aktiv rausgehen und darüber sprechen, was wir tun. Das war eine großartige Möglichkeit den Migrant*innen zu zeigen, dass sie nicht allein auf dieser Welt sind, sondern dass wir da sind, um sie zu unterstützten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Olga Klus ist Juristin und leitet Faire Integration in Berlin, ein Projekt von ARBEIT UND LEBEN. Das Interview führte Pauline Bader von Support Faire Integration, ein Projekt des DGB Bildungswerk BUND, das die Arbeit der bundesweiten Beratungsstellen von Faire Integration unterstützt.