Der Lebensmittelgewerkschaft NGG ist es gelungen mit dem größten Tiefkühlbackwarenproduzenten in Ostdeutschland Eckpunkte für einen neuen Manteltarifvertrag zu vereinbaren. Die Regelungen verbessern die Arbeitsbedingungen erheblich und gelten für etwa 1.400 Beschäftigte an den Standorten Eisleben und Nordhausen. Das vorläufige Tarifergebnis gelang gestern im fünften Verhandlungstermin. Diesem waren zwei massive Streiktage am 7. November und 4. Dezember 2023 vorausgegangen.
Geschnürt wurde ein umfangreiches Maßnahmepaket:
Die Beschäftigten erhalten höhere Zuschläge für Mehrarbeit, Nachtarbeit sowie bei Arbeit an Samstagen und Feiertagen. Dazu wird die Jahressonderzahlung auf 100% der durchschnittlichen Bruttomonatsgrundvergütung erhöht (bisher 500 Euro).
Neben den finanziellen Verbesserungen bringt der neue Tarifvertrag mehr Freizeit und Entlastung für die anstrengende Schichtarbeit. Für alle Beschäftigten gibt es künftig 30 Tage Urlaub (zuvor 27 Tage), für ältere Beschäftigte noch zusätzlich einen Urlaubstag mehr jeweils ab dem 55., 60. und 63. Lebensjahr. Ferner sind als Ausgleich für die belastende Schichtarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach Schichtsystem 3-4 weitere freie Tage im Jahr vorgesehen.
Darüber hinaus wird der Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersvorsorge um den Betrag von 15% eines Monatslohns aufgestockt (bisher nur 100€). Die maximale Frist für die Eigenkündigung der Beschäftigten sinkt von 7 auf 3 Monate. Für die Auszubildenden wurden eine monatliche Fahrkostenpauschale zur Berufsschule von 50€ und zwei zusätzliche freie Tage zur Prüfungsvorbereitung sowie eine Übernahmeregelung nach erfolgreicher Ausbildung vereinbart.
„Dieser neue Manteltarifvertrag ist ein großer Schritt vorwärts. Er bringt den Beschäftigten mehr Freizeit, Entlastung bei Schichtarbeit und mit den höheren Zuschlägen und der Jahressonderzahlung mehr finanzielle Anerkennung für ihre Arbeit rund um die Uhr. Dieses Weihnachtsgeschenk haben sich die Beschäftigten selbst gemacht, weil sie für ihre Interessen gekämpft haben. Das sollte mehr Schule machen“, sagt Uwe Ledwig, Vorsitzender der NGG-Ost.
Die Gewerkschafter weiter: „Menschen sind weder Maschinen noch Humankapital. Wir müssen in den Betrieben auf den gestiegenen Arbeitsstress und den Wunsch der Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität reagieren. Dafür bedarf es neuer tariflicher Regelungen. Leider haben noch nicht alle Unternehmen verstanden, dass nur so Beschäftigte gehalten und neu gewonnen werden können. Wir machen diese Fragen von Arbeitsentlastung und Zeitsouveränität jetzt bei uns in den Lebensmittelbetrieben im Osten zum Thema.“
Ledwig verweist auf die derzeitig stockenden Verhandlungen über einen neuen Manteltarifvertrag für weitere 18 Lebensmittelbetriebe in Sachsen-Anhalt. Dazu gehören Unternehmen wie die Sektkellerei Rotkäppchen in Freyburg, das Feinkostwerk von Homann in Rogätz, aus der Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland) der Backbetrieb ARTiBack in Halle und die Mineralwasserbetriebe MEG in Leißling, Roßbach und Jessen und zwei Pizza-Fabriken des Südzucker-Konzerns. Streiks in den ersten Betrieben für bessere Arbeitsbedingungen haben bereits stattgefunden. In den Manteltarifverhandlungen spielt auch die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung von zumeist 40-Stunden auf 35-Stunden in der Woche. Leider mussten die Verhandlungen mit dem AG-Verband VdEW für gescheitert erklärt werden. Nun gilt es die Forderungen in einzelnen Tarifverträgen mit den Betrieben zu vereinbaren.
Hintergrund Aryzta:
In Eisleben arbeiten 1.200 Beschäftigte, in Nordhausen 165 Beschäftigte für Deutschlands Marktführer für Tiefkühlbackwaren. Sie stellen Brötchen, Baguette, Laugengebäck, Croissants und andere Backwaren für große Einzelhandelsketten Lidl und die Gastronomie her. Über 40 Aryzta-Produkte konsumiert jeder Mensch in Deutschland nach Angaben des Unternehmens durchschnittlich im Jahr.
Der neue Manteltarifvertrag wird auf Grundlage der vereinbarten Eckpunkte in den kommenden Wochen ausformuliert. Das Entgelt ist nicht von den Verhandlungen betroffen. Ein entsprechender Tarifvertrag läuft noch im Jahr 2024 und kann erst dann verhandelt werden. Die unterste Lohngruppe liegt derzeit bei 12,33 Euro.